Bewerbertraining – Verbiegt euch!

Immer wieder sehe ich auf unterschiedlichen Plattformen Angebote, welche mir bei meinen Bewerbungen helfen sollen. Wie ich eine Mappe erstelle, wie ich (und ob ich) die richtigen Fotos nutze, wie ich formulieren sollte, was in ein Anschreiben hinein soll, was nicht.

All diese Angebote wollen eine Expertise trainieren: wie erkenne ich möglichst genau das Bedürfnis des ausschreibenden Unternehme und passe mein Profil dahingehend an.

Das erscheint plausibel, denn ich will ja eine Arbeitsstelle in dem Unternehmen. Ich  versuche also zu ermitteln, wie das Unternehmen „tickt“, welcher „Typ Mitarbeiter“ gesucht ist. Da heute „Employer branding“ immer wichtiger wird, finden sich auch zunehmend Aussagen darüber wie „nett“ das Unternehmen ist und wer dazu passen könnte.

Meine Bewerbung wird also so formuliert, das ich möglichst vielen (hoffentlich richtig erkannten) Kriterien entspreche. Natürlich, bei mehreren Bewerbungen, jedes Mal unterschiedlich.

Wo liegt der Fehler?

Es scheint allzu wahrscheinlich zu sein, dass dieses Vorgehen nicht zu einer zufriedenen Arbeit führen wird. Die wesentliche Frage, was genau mich als Wert für diese Unternehmung ausmacht, wird gar nicht betrachtet. Vielmehr reduziere ich mich kontextuell so weit, bis ich zu einem Bild von Arbeit passe, welches mich als Individuum nur mehr bedingt enthält.

Es ist der Weg, den wir in jahrzehntelanger Sozialisierung eingebläut bekommen haben: Wir müssen dankbar sein, wenn wir ein Festanstellung finden. Und es gilt alles zu tun, um eine rentenpflichtige Arbeit zu finden und zu halten. Nichts anderes zählt, nichts anderes ist denkbar.

Mit der vielberufenen Generation Y scheint ein Wandel zu kommen. Es scheint, dass jenen jungen Menschen der innere Wert einer Arbeit, also die eigene Zufriedenheit mit dem, was sie tun werden, wichtiger ist als die Befriedigung eines undeutlichen Karrieregedankens.

Und nun?

Letzten Endes ist es genau wie im richtigen Leben: uns sprechen Menschen an, die wir interessant finden, wir binden uns an sie wenn wir Vertrauen entwickeln, wir gehen mit ihnen auch durch schwere Zeiten, wenn das Gefühl da ist, Gleiches zu erfahren.

Da jeder Mensch diese Kriterien individuell bewertet und für sich entscheidet, passt nicht jeder zu jedem Unternehmen, selbst wenn die Ausbildung zu einer offenen Position passt. Was also eine Stelle für mich interessant macht, ist möglicherweise ein Nein bei meinen Bekannten.

Sicher aber kommen heute – mehr als je zuvor – individuelle Kriterien bei der Stellensuche zur Geltung. Und es geht eben nicht mehr um ein Klischee, sondern um Substantielles: Menschen suchen mehr und mehr nach Unternehmen, die zu ihnen passen. Diese Menschen wissen um ihren Wert und ihre Wünsche. Und wollen sich nicht über Gebühr verbiegen, nur um eine Stelle zu haben.

Unternehmen haben Charakter

Es bleibt die Tatsache, dass Unternehmen auch eine Ausstrahlung haben, einen Charakter. Und die Mitarbeiter, die sich in dieser Unternehmenskultur wohl fühlen sind eben genau jene, die dazu passen.
Ebenso individuell wie Menschen, so strahlen auch Unternehmen Charakter aus, ziehen die einen an, stoßen andere ab. Das ändert auch kein Employer Branding.

Welche Kultur im Unternehmen gelebt wird ist und bleibt Chefsache – das vernachlässigt man besser nicht.

 

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Die Anzeichen einer sich zunehmend schneller verändernden Arbeitswelt beschäftigt viele Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Es wird deutlich, dass unsere Strukturen und Werte dringend auf den Prüfstand müssen – Konzepte, welche vor 120 Jahren unter gänzlich anderen Marktbedingungen hervorragend wirkten, sind heute nicht mehr reaktionsfähig. Auch wenn der Begriff „agil“ in den letzten Jahren überstrapaziert wurde, es bleibt die Frage wie Unternehmen mit den veränderten Anforderungen weiterhin wertschöpfend agieren können. Dabei beschäftigt sich „New Work“ nicht nur mit einer Vielzahl wesentlicher Ansätze und Gedanken, sondern auch mit konkreten Beispielen und Hilfestellungen.

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